Inesit
Das Mineral Inesit gehört zu den Kettensilikaten, die man der Mineralklasse „Silikate und Germanate“ zuordnet. Sie werden chemisch als Ca₂Mn7[(OH)₂|Si10O28]·5H₂O gebildet. Die Formel bedeutet, dass es sich in chemischer Hinsicht um wasserhaltige Calcium-Mangan-Silikate handelt, die zusätzlich Hydroxidionen enthalten. Begehrt ist Inesit als Sammlerstein: Das Mineral kristallisiert im sogenannten triklinen Kristallsystem, also innerhalb einer Punktgruppe ohne Drehachse, was wie eine Nadelhäufung aussieht, die von einem Magneten angezogen wird. Die „Nadeln“ wären in diesem Fall die durchsichtigen bis durchscheinenden Inesitkristalle, die bis zu sieben Zentimeter lang und unterschiedlich gefärbt sein können.
Mythologie und Geschichte
Obgleich Inesit auf der Welt an verschiedensten Orten gefunden wird, gilt die Dillenburger „Grube Hilfe Gottes“ beim hessischen Oberscheld als erster Fundort weltweit. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass man in anderen Weltgegenden (siehe weiter unten bei Fundorten) schon früher Inesit fand, es aber nicht klassifizieren konnte.
In Dillenburg hatte der Forscher Adolf Schneider um Jahr 1887 erstmals Inesit in der Hand. Das Mineral fiel ihm mit seiner charakteristischen Farbe auf, in seinem Fall hatte es einen rosa Ton. Bemerkenswert fand Schneider den nadeligen und faserigen Habitus, der ihn an Muskeln oder Sehnen erinnerte und den er so noch bei keinem anderen Mineral gesehen hatte. Daher gab er ihm den Namen Inesit nach dem Wort ἶνες [ínes], das im Griechischen „Sehnen und Muskeln“ bedeutet.
Aus diesem Erscheinungsbild und der Bezeichnung entwickelte sich jedoch bis zur Gegenwart kein nachhaltiger Mythos. Dafür ist das Mineral möglicherweise zu jung. Diejenigen Steine, die heute zu hochwertigem Schmuck verarbeitet und als Heilstein genutzt werden, haben größtenteils eine bedeutend längere Geschichte, die teilweise viele Jahrtausende zurückreicht.
Vom Inesit bewahrt das Mineralogischen Museum in Marburg, das zur dortigen Philipps-Universität gehört, sogenanntes Typmaterial auf (Katalog-Nr. MMM K35/14). Bislang beschäftigten sich Mineralogen lediglich mit der Klassifikation von Inesit auf streng naturwissenschaftlicher Basis. Eine ältere Mineralsystematik, die aber immer noch gebräuchlich ist, stammt von Hugo Strunz (1910 – 2006). Er ordnete Inesit wie oben beschrieben den „Silikaten und Germanaten“ zu, wobei es konkret zur Unterabteilung „Kettensilikate und Inosilikate (Bandsilikate)“ gehören soll. Wer sich etwas genauer dafür interessiert: Die System-Nr. dieser Abteilung ist VIII/F.27, es gehören auch Babingtonit, Manganbabingtonit, Lithiomarsturit, Marsturit, Natronambulit, Nambulit, Rhodonit, Scandiobabingtonit und Santaclarait dazu (sogenannte „Rhodonit-Reihe“). Dieser Einordnung folgt auch die jüngere Mineralsystematik, welche die IMA (International Mineralogical Association) seit 2001 anerkennt. Sie nimmt noch eine weitere Unterteilung nach der Kettenstruktur vor, die das Inesit den 5-periodischen Doppelketten mit der Formel Si10O28 zuordnet.
Bildung
Das Mineral bildet sich im Spätstadium der Auskristallisierung von hydrothermalen Lösungen dort, wo auch Mangan zu finden ist. Dabei geht es eine Paragenese mit anderen Mineralen ein, tritt also in deren Gesellschaft auf, weil diese ähnliche bis identische Bedingungen für ihre Bildung benötigen. Es sind dies Rhodochrosit, Hausmannit und Bementit. Gefunden wurde diese illustre Mineralgesellschaft unter anderem in Kalifornien am Mad River Ridge („Hale Creek Mine“, Trinity County). Es gibt auch andere Vergesellschaftungen etwa mit Datolith, Apophyllit, Pektolith, Ruizit, Quarz und Orientit, die in der afrikanischen Kalahariwüste gesehen wurden („Wessels Mine“, Manganfeld bei Hotazel). Je nach dem Fundort kann Inesit recht unterschiedlich aussehen, so eher tafelig, faserig oder nadelig und wahlweise einen rosa- oder orangefarben, aber auch einen braunen bis fleischfarben Ton haben. Seine Strichfarbe ist aber immer Weiß bei Kristallflächen mit glasigem Glanz. Wenn die Kristalle sehr nadelig, faserig oder radialstrahlig und dabei eher massig beschaffen sind, glänzen sie wie Perlen.
Fundorte
Inesit ist ein seltenes Mineral. Bislang (Stand: 2022) wurde es nur an wenigen Orten in der Welt nachgewiesen, nämlich rund 60, was für Minerale wirklich wenig ist. Es sind diese:
- „Grube Hilfe Gottes“ (Hessen, Deutschland)
- Nanzenbach (Hessen, Deutschland)
- Broken Hill (Australien)
- Fengjiashan Mine (China)
- Sumatra und Java (Indonesien)
- Ligurien und Lombardei (Italien)
- Honshū, Hokkaidō und Shikoku (Japan)
- San Cayetano Mine (Mexiko, Bundesstaat Durango)
- Wessels Mine (Hotazel, Kalahari, Afrika)
- Hale Creek Mine (Kalifornien, USA)
- weitere Orte in den USA
- Martha Mine (Waihi, Neuseeland)
- mehrere Orte in Schweden
- Gualba (Spanien)
- Banská Štiavnica (Slowakei)
- Gyöngyösoroszi (Mátra-Gebirge, Ungarn)
Verwendung
Inesit ist ein reines Sammlermineral. Es wird nicht zu Schmuck verarbeitet, weil es relativ weich ist und eine Bearbeitung die einzigartige Kristallstruktur zerstören würde, die ja gerade den Reiz dieses Steins ausmacht. Unter Umständen ändert sich das noch. Bislang scheint es deshalb keine Versuche einer weitergehenden Verarbeitung gegeben zu haben, weil der Stein a) relativ selten ist, sodass sich größere Experimente damit verbieten, und er b) aufgrund seiner Weichheit eben nur schwer einzufassen oder gar zu schleifen ist. Doch findige Juweliere und Schmuckhersteller bringen vielleicht künftig auch den Inesit „in Form“.
Nachgesagte Heilwirkungen
Auch Heilwirkungen des Inesit sind bislang weder für den Körper noch die Psyche bekannt.